Mahler gemalt

Peter Schmidt-Schönberg

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Mahler gemalt

Peter Schmidt-Schönberg

MAHLER MALEN

»Mahler und das 19. Jahrhundert«, »Mahler als Interpret«, »Mahlers Religiosität«, »Mahlers philosophisch – geistiger Hintergrund«, »Mahler und die Volksmusik«, »Gustav Mahler und die Natur«, »Gustav Mahler und die Literatur« – (R. Ulm, Mahlers Sinfonien, Bärenreiter) dies ist nur ein Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis einer Mahler Rezeption. Was hier aber schon deutlich wird, ist das Fehlen eines künstlerischen Bereiches – und das ist synonym für alle Rezensionen – dem der Malerei. Es scheint, als wolle man eine Berührung dieser beiden Künste auf jeden Fall vermeiden, ja, nachgerade verhindern. Ludwig, der Große, Beethoven, er könnte ja, Zeus gleich, sein Gewitter aus der »Pastorale« auf die Welt der Autoren hernieder senden, weil sie sein Diktum aus eben dieser seiner Sinfonie in Frage stellen könnten.
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Nur – ich bin mir gar nicht sicher, ob der Zeus der Musik mit dieser seiner Anmerkung in der Partitur seiner Sechsten das eben gemeint haben wollte: ein Verbot gegen eine Beziehung der beiden Schwestern Musik und Malerei – denn im Hinblick auf ihre Gemeinsamkeit als Musen kann man schon als Geschwister von ihnen sprechen.

Nun wissen wir, dass Mahler tatsächlich kein echtes Verhältnis zur Malerei und zu Malern entwickelt hat. Das an dieser Stelle oft und alibihaft zitierte Bild von Tizian »Das Konzert«, welches als Druck in seinem Hamburger Arbeitszimmer gehangen hat, ist durch ständiges Bemühen abgenutzt und reicht bei Weitem nicht aus, hier eine geistige Lücke zu schließen. Außerdem ist der virginale Charakter dieses Gemäldes nicht geeignet, auf die dionysische Kompositionsweise Mahlers zu verweisen.

Also, wohin man auch suchend greift, ein tieferer Bezug Mahlers zur Malerei läßt sich nicht finden. Ich lasse hier auch außer acht, dass seine Zusammenarbeit mit dem (Bühnen-) Maler Alfred Roller beispielhaft in der Operngeschichte ist – Angewandte Malerei also ja, aber die Malerei als eigenständige Kunst bleibt ihm fremd. Soweit zu Mahler und seiner fehlenden Beziehung zur darstellenden Kunst.

Kann oder sollte das nun bedeuten, dass dies auch heißen muss: Pinsel weg von seinem Werk!
Ist es ein Sakrileg, wenn man es als Maler wagt, seine Musik als inspiratives Element in die Malerei zu übernehmen? Geht es immer wieder und immer noch darum, was Mahler selbst deutlich postuliert hat, nämlich die Künste zu werten, sie gegen- und übereinander zu stellen? »Die Musik läßt die Poesie weit hinter sich; sie kann alles sagen«. In all seinen Äußerungen stellt er die Musik, seine Musik, über alles und alle anderen Künste. Das darf er auch! Denn ich glaube, dass Mahler so sogar aus einer Demut heraus argumentiert, aus der Demut vor dem Auserwähltsein eines Schöpfenden. Er wollte erkennen, was es denn sei das ihn so grenzenlos befähigt, in Musik all sein Erleben ausdrücken zu können. Das Universelle im Individuellen.

Das hebt ihn hinaus über so viele Musiker seiner Zeit, der Vergangenheit und unserer Gegenwart. Das macht es dann auch richtig (ich will hier nicht von rechtens sprechen, denn ein Recht oder Unrecht in der Kunst gibt es nicht), dass Mahler seine Kunst über alle anderen Künste stellt – und es ist eben auch seine Art, dies apodiktisch zu formulieren.
Das bewundert man natürlich erst einmal. Dann verschreckt es möglicherweise und schließt schließlich erst einmal alle anderen Denkansätze aus. Das ist so mit all den Verdikten, zu denen sich Künstler (und nicht nur die) aufgefordert fühlen. Für uns Nachgeborenen ganz besonders in der posthumen Betrachtung und Bewertung.

Nun kann ich das für mich und meine Kunst so nicht stehen lassen! Es muss ein Denken nach dem Tode aller Großen geben – sie geben uns Erkenntnisse, sie regen uns an oder auf, aber sie dürfen uns nicht verhindern.
Dürfen nicht verhindern, daß Neues, gepaart mit ihren Gedanken und den unseren, entstehen kann. Nur so kann das Ewigfließende ( des Heraklit) in der Zeit durch uns Menschen seinen Sinn er – und behalten.

Soweit erst einmal zum Grundsätzlichen und warum ich es für durchaus legitim halte, dass ich mich als Maler dem Werk Gustav Mahlers malend aussetze. In Abwandlung seines Ausspruchs »Man wird komponiert« kann ich sagen: ich werde von seiner Musik gemalt. Und ich kann, um den Zeus der Musik gleich zu beschwichtigen, reinen Künstlergewissens dazu sagen: mit großem Ausdruck einer tiefen Empfindung!

Nicht das Erklärbare ist es, nicht das Wissende um Mahler und sein Musik, das ich male. Vielmehr geht seine Musik durch mich hindurch und tritt mit mir auf der Leinwand wieder heraus als etwas Neues durch ihn.

»Symphonie heißt mir eben: mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen« so Mahler – und so stellt sich auch meine Vorgehensweise in der Malerei dar: Ein Gemälde komponieren ist die Zusammenfassung, das Zusammenbringen, »das Bauen« mit Allem, das entstanden ist an Eindrücken und Empfindungen. Ich kann und ich will es nicht festlegen, ob der Umgang – im Sinne einer Technik – mit tönenden Noten vergleichbar ist mit dem Umgang mit Farben und Formen. Was mich über jedwede Technik hinaus beschäftigt ist die Frage nach der Vision im Werk selbst, die der Musiker wie der Maler vom Werk und dessen Entstehen haben muss.

Meine ersten Entwürfe zu den Mahler – Bildern sind flächige, mehr nur atmosphärisch empfundene und ausgeführte Farbkompositionen, die sich dann im Verlauf des Schaffensprozesses mehr und mehr ausgestalten. Immer deutlicher entwickeln sich - im Sinne einer Modulation – aus den Farben die Formen von Mensch und Welt. Eben das höre ich bei Mahler: wie er musikalische Materie immer mehr zu menschlicher Empfindung verdichtet. Es geht also nicht darum, ein Geschehen zu illustrieren oder das Denken zu beschreiben, vielmehr ist der Ausdruck des inneren Vorgangs im Wesen von Werk und Schöpfer zu erfassen und diesem Form zu geben. Verbindlich! - denn hier zeigt sich die Seelenverwandtschaft.

Nun macht es Mahler seinen Hörern nie leicht ihm auf seinen Wegen durch sein Werk zu folgen – ergo: man will es oder man läßt es lieber! Und so kann auch ich es dem Betrachter meiner Gemälde nicht ersparen, eine solche Bereitwilligkeit mitzubringen, ich muß sie voraus-setzen. Den Anspruch, den Mahler voraussetzt, vorgibt, wenn man sich seine Komplexität einläßt, dieser Anspruch überträgt sich auf alles, was danach daraus entsteht.

Mahlers Sinfonien sind e i n e Sinfonie in Lebensabschnitten – und so erlebe ich ihn in seinem Schaffen, das suche ich in meinen Bildern zu erreichen: eine sich fortsetzende Einheit mit offenem Ende – und das perpeturierende Movens dabei ist sein alpines Denken.

»Alpines Denken« hat per se nichts mit den Alpen an sich zu tun, bezeichnet dennoch den Ausdruck alpinen Wesens: die permanent sich »nach oben« orientierende Sicht und Haltung des eigenen Denkens, Fühlens, Handelns – bezeichnet also die Dynamik des Erlebens und die Perspektive von Geist und Seele, es ist dieses mahlersche »Sehnen über die Dinge.... hinaus<.

So entsteht die Höhe, die Weite und Tiefe der Bilder aus Gestalten, die zu Gebilden werden und ein durch ihr Unterwegs-Sein ein ständig wechselnder Horizont, der nie richtig endet und durch die Farben immer neu dimensioniert wird.
Ich glaube, dass ich so dem End-losen Sein Mahlers in seinem Werk nahe kommen kann, seinem endlosen »ewig – ewig – …... «

Peter Schmidt-Schönberg